Köln: 11.–12.06.2025 #polismobility

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Im Gespräch mit Dr. Ludwig Fazel, Global Head of Strategy der Volkswagen Group Technology & Global Head of Platform Business der Volkswagen Group.

Das VW-Werk Salzgitter baut derzeit stufenweise Kompetenz für die Entwicklung und Fertigung von Batteriezellen und -modulen auf. © Volkswagen AG

Das VW-Werk Salzgitter baut derzeit stufenweise Kompetenz für die Entwicklung und Fertigung von Batteriezellen und -modulen auf. © Volkswagen AG

ÜBER DEN WEG ZUR VOLLELEKTRISCHEN AUTOMOBIL-ZUKUNFT UND DIE KONTROLLE ÜBER WERTSCHÖPFUNGSKETTEN

Herr Dr. Fazel, in Ihrer Promotion haben Sie sich mit der Akzeptanz von E-Mobilität beschäftigt. Was haben Sie dabei herausgefunden?

Ich habe im Jahr 2011 mit meiner Dissertation begonnen. Damals steckte die E-Mobilität noch in den Kinderschuhen, Tesla war ein kleines Start-up und die Massenfertigung noch völlig undenkbar. Trotzdem hat mich das Thema fasziniert, die weitere Entwicklung war bereits zu erahnen. Mich hat vor allem interessiert, was die Stellschrauben sind, damit sich diese Technologie bei den Kund:innen durchsetzt. Ich habe deshalb einen verhaltenswissenschaftlichen Ansatz aus der IT-Welt – das sogenannte „Technology Acceptance Model“ – auf die E-Mobilität übertragen und angewendet. Ein zentrales Ergebnis war, dass die Nutzung vor allem einfach und komfortabel sein muss. Und schon damals haben die Daten gezeigt, dass dafür vor allem eine flächendeckende und verlässliche Ladeinfrastruktur notwendig ist. Interessanterweise spielte der Fahrzeugpreis aus Kundensicht zwar auch eine wichtige Rolle, jedoch mit weniger Einfluss als die Ladeinfrastruktur.

Und was leiten Sie daraus heute ab als Verantwortlicher bei Volkswagen?

Wir kommen aus einer Welt, in der sich die Hersteller vor allem auf die Fahrzeugtechnik fokussiert haben. Kein Autobauer hat sich früher Gedanken über Tankstellen gemacht – das war Aufgabe der großen Mineralölkonzerne. Mit dem Wandel in Richtung E-Mobilität ändert sich das gerade grundlegend. Wir haben bei Volkswagen schon sehr früh erkannt, dass es bei der Ladeinfrastruktur deutlich mehr Player bedarf. Wir brauchen ein Zusammenspiel von Herstellern, Energiewirtschaft, Mineralölindustrie und Kommunen. Und natürlich gehen wir auch selbst voran: Gemeinsam mit Partnern bauen wir alleine in Europa rund 18.000 Schnellladepunkte auf. Ein wichtiger Beitrag, um der E-Mobilität zu ihrem endgültigen Durchbruch zu verhelfen.

Also Kooperationen ja, aber VW als „E-Tankstellen-Betreiber“ nein?

Wir haben weltweit bereits eine Vielzahl an Ladepunkten installiert – entweder alleine oder zusammen mit Partnern. Wir sind zum Beispiel an IONITY beteiligt, das führende frei zugängliche Schnellladenetz in Europa. In den USA betreibt Electrify America das größte offene Schnellladenetz Nordamerikas und auch in China haben wir über das Joint Venture CAMS bereits Tausende von Schnellladepunkten aufgebaut. Bis 2025 werden es weltweit rund 45.000 Schnellladepunkte sein. Wir sind also schon längst mit Vollgas in diesem Markt unterwegs. Gleichzeitig sind wir uns im Klaren darüber, dass dies nur einen Teilbedarf decken wird. Wir können die flächendeckend notwendige Ladeinfrastruktur nicht in Eigenregie aufbauen, hier müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen und auch die Investitionen gemeinsam stemmen.

Die Elektrodensheets warden in einer Stapelanlage präzise und automatisiert übereinander gestapelt. © Volkswagen AG
Die Bandware wird mechanisch randbeschnitten und anschließend in einem Kalander verdichtet und geglättet. Hiermit ist die Elektrodenfertigung abgeschlossen. © Volkswagen AG

Die Elektrodensheets warden in einer Stapelanlage präzise und automatisiert übereinander gestapelt. © Volkswagen AG

Die Bandware wird mechanisch randbeschnitten und anschließend in einem Kalander verdichtet und geglättet. Hiermit ist die Elektrodenfertigung abgeschlossen. © Volkswagen AG

Die Akzeptanz der E-Mobilität auf Kundenseite ist das eine. Wie ist es denn um die Akzeptanz im Volkswagen-Konzern bestellt?

Volkswagen ist heute ein Vorreiter der E-Mobilität, kein anderes Automobilunternehmen hat so früh und so konsequent den Wandel eingeleitet. Seit 2016 haben wir die Investitionen in die E-Mobilität massiv nach oben gefahren, neue Elektromodelle entwickelt und die Werke umgestellt. Anfangs gab es noch viele Fragezeichen: Wie lange wird es dauern, bis sich E-Mobilität etabliert? Wird sie sich überhaupt durchsetzen – oder werden es andere alternative Antriebe wie die Brennstoffzelle sein? Heute ist das kein Thema mehr, der komplette Volkswagen-Konzern ist auf die E-Mobilität ausgerichtet. Mittlerweile zeigt sich auch, dass es eine goldrichtige Entscheidung war.

In Europa sind wir inzwischen unangefochtener Marktführer, auch in den USA und China sind wir gut unterwegs. Und wir bleiben nicht stehen: So investieren wir im Rahmen der aktuellen Fünf-Jahres-Planung im Konzern von insgesamt 160 Milliarden Euro rund 90 Milliarden Euro in E-Mobilität und Digitalisierung – das sind rund 60 %. Und dieser Anteil wird über die nächsten Jahre weiter ansteigen. Es ist der absolut richtige Schritt.

Was tut denn VW, um Fakten zu schaffen? Wann rollt der letzte Verbrenner-Golf vom Band?

Grundsätzlich wollen wir als Unternehmen spätestens 2050 vollständig klimaneutral sein. Die genaue Roadmap ist abhängig von der Marke und der Region. Die Marke Volkswagen hat zum Beispiel angekündigt, dass in Europa das letzte Fahrzeug mit Verbrennungsmotor voraussichtlich schon zwischen 2033 und 2035 vom Band rollt, bei Audi noch etwas früher. In China und den USA wird es aufgrund der Rahmenbedingungen etwas länger dauern. Aber wie gesagt: Auch dort ist die Zukunft elektrisch. Was bedeutet das für Ihre Wertschöpfungskette? Ein sehr hoher Wertschöpfungs- und damit Kostenanteil bei EAutos liegt in der Batterie. Aktuell dominieren asiatische Unternehmen diesen Markt. Perspektivisch wollen wir diesen Werttreiber in die eigenen Hände nehmen, auch um die Versorgung unserer E-Offensive mit Batteriezellen abzusichern. Deswegen haben wir entschieden, dass wir in die Batteriezellfertigung einsteigen werden.

Sie planen bekanntlich eigene Fabriken …

In einem ersten Schritt wollen wir bis 2030 in Europa sechs Giga- Fabriken hochziehen. Sie werden gemäß aktuellen Planungen unseren eigenen Bedarf im Pkw-Bereich in Europa decken. Wir sprechen von einer dann installierten Gesamtkapazität von 240 Gigawattstunden pro Jahr. Die ersten beiden Zellfabriken entstehen in Deutschland und Schweden. Den bisherigen Motorenstandort Salzgitter bauen wir in den kommenden Jahren zum Batterie-Hub des Konzerns aus. Schon heute betreiben wir dort Zell-Labore und Pilotlinien, im Jahr 2025 wollen wir dann mit der Batteriezellfertigung starten. Eine solche Produktion hat mehr mit der Smartphone-Herstellung als mit der Auto-Fertigung zu tun. Daran wird das Ausmaß der Transformation auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr gut deutlich. Bei den Batterien wollen wir zudem einen Wertschöpfungskreislauf etablieren.

Am Ende wollen wir als Volkswagen-Konzern alle wesentlichen Teile der Wertschöpfungskette kontrollieren.

Dr. Ludwig Fazel
Global Head of Strategy der Volkswagen Group Technology & Global Head of Platform Business der Volkswagen Group

Wie sieht dieser aus?

Wir wollen nicht nur die Fertigung betreiben, sondern auch in die Vormaterialkette einsteigen. Zusammen mit Umicore planen wir z. B. ein Joint-Venture zur Herstellung von Kathodenmaterial. Wir sehen uns aktuell mehr als 200 Lithium-Minen weltweit an. Und wir betreiben bereits eine Recycling-Anlage, um die wertvollen Rohstoffe wieder zurück in den Kreislauf zu bringen. Das Ziel ist eine Recyclingeffizienz von mehr als 90 %. Am Ende wollen wir als Volkswagen-Konzern alle wesentlichen Teile der Wertschöpfungskette kontrollieren, wenn auch nicht zwingend selbst betrieben: vom Abbau über die Rohstoffveredlung und die Batteriezell- sowie die Fahrzeugfertigung bis hin zum Einsatz der Batterien in Großspeicher-Systemen („2nd life“) und letztlich das Recycling. Grundsätzlich gilt: Die reine Montage des Fahrzeugs ist zwar bei einem E-Fahrzeug anders als bei einem Verbrenner, gerade was den Einsatz von Hochvolt-Technologien betrifft. Ein großer Teil des Wandels aber findet vor dem Fahrzeugwerk statt, und diesen gestalten wir bei Volkswagen aktiv mit.

Die MEB-Fahrzeugplattform von Volkswagen. © Volkswagen AG

Die MEB-Fahrzeugplattform von Volkswagen. © Volkswagen AG

Im E-Bereich positioniert sich VW auch als Zulieferer. Warum kommt der Wettbewerb zu Ihnen?

Wir haben mit dem „Modularen E-Antriebsbaukasten“ (MEB) sowie der „Premium Platform Electric“ (PPE) bereits funktionierende, speziell für E-Fahrzeuge entwickelte Fahrzeugplattformen im Markt. Die Technik überzeugt, was man unter anderem an den vielen Fahrzeugpreisen wie dem „Goldenen Lenkrad“ ablesen kann, die unsere MEB-Fahrzeuge gewonnen haben. Um die Demokratisierung der E-Mobilität weiter zu forcieren und auch andere Hersteller an unseren Skaleneffekten partizipieren zu lassen, haben wir beschlossen, unsere Fahrzeugplattformen auch externen Kooperationspartnern anzubieten. Wir bieten dabei die komplette Fahrzeugplattform inklusive E-Antrieb, Batteriesystem und Fahrwerkskomponenten aus einer Hand an. Das ist weltweit einmalig und ermöglicht es unseren Partnern, ihre Projekte schnell und erfolgreich umzusetzen – ein Vorteil, der gerade vor dem Hintergrund immer komplexer werdender Fahrzeuge nicht zu unterschätzen ist.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.

DR. LUDWIG FAZEL

Dr. Ludwig Fazel © Volkswagen AG

Dr. Ludwig Fazel © Volkswagen AG

war nach dem Studium an der TU München als Unternehmensberater bei Roland Berger aktiv, wo er zuletzt als Principal ein Mitglied des Global-Management-Teams Automotive war. Seit 2017 ist er bei der Volkswagen AG tätig und aktuell Bereichsleiter des Konzernressorts Group Technology, wo er neben der Strategie auch den neuen Geschäftsbereich Platform Business sowie konzernweit die Kooperation mit Ford verantwortet.

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Author

Daniel Boss