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Komplexität reduzieren

Ein Netzwerk für einfaches Laden

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Christian Hahn, CEO der weltweit größten E-Roaming-Plattform Hubject, spricht über die zukünftigen Herausforderungen im Bereich Ladeinfrastruktur.

Ladeinfrastruktur auch für Straßenparker © ubitricity

Ladeinfrastruktur auch für Straßenparker © ubitricity

Im Gespräch mit Christian Hahn, Chief Executive Officer der Hubject GmbH

Herr Hahn, mit Hubject verfolgen Sie, kurz zusammengefasst, das Ziel, Kompliziertes, Komplexes im Bereich der E-Mobilitäts-Ladeinfrastruktur einfach zu gestalten. Was ist das Prinzip, nach dem das Intercharge-Netzwerk funktioniert?

Wer schon einmal ein Elektroauto gefahren ist, hat früher oder später festgestellt, dass es irgendwann wieder aufgeladen werden musste. Und genau da wird es dann schnell kompliziert, weil es in Deutschland, europaweit, weltweit Hunderte bis Tausende von Unternehmen gibt, die Ladesäulen betreiben. Das ist auch super – je mehr, desto besser. Allerdings entstehen dabei häufig Probleme, weil mit dem Laden jeweils meist eine Mitgliedschaft in einer Art „Verein“ verbunden ist. Das führt natürlich dazu, dass ein Kunde schnell überfragt ist: Was muss er oder sie denn jetzt genau tun, um mitzumachen? Genau das versuchen wir zu lösen, indem wir eine B2B-Roaming-Plattform betreiben, die es allen Akteuren ermöglicht, ihre Ladestationen anzumelden und mit Elektroautofahrenden zu teilen. Das bedeutet exakt das, wie Sie sagten, wir versuchen, Kompliziertes so einfach wie möglich zu machen und vernetzen die verschiedenen Betreiber.

Sie sind zwar B2B-Bereich tätig, erleichtern aber letztlich den Endverbraucherinnen und Endverbraucher, die aktuell laut eines Berichts des Bayerischen Rundfunks im Schnitt drei Karten unterschiedlicher Anbieter haben, das Tanken. Unabhängig von ihrer Mitgliedschaft ist das Tanken anbieterübergreifend möglich, weil die Anbieter mithilfe Ihrer Plattform untereinander die Ab- bzw. Verrechnung vornehmen können.

Ganz genau, so kann man sich das vorstellen, dass möglichst jedes Unternehmen, das in der Elektromobilität aktiv ist, sich bei uns anmeldet. Und wir haben dazu auch ein Kompatibilitätssymbol erarbeitet – das Intercharge-Symbol. Das heißt, wenn man das Intercharge-Symbol als Elektro-Autofahrerin oder Elektro-Autofahrer sieht, dann weiß man, dass man bedenkenlos laden kann. Das Schöne ist, dass wir inzwischen bei 80 % der deutschen Unternehmen im Einsatz sind, europaweit sind es ähnlich viel. Demzufolge ist die Kundschaft auch schon gewohnt, dass das System funktioniert. Daher stellen wir uns aktuell die Frage, wie man einerseits noch die Whitespots, die es ja noch gibt, erschließen kann. Und zum anderen interessieren uns auch die Anforderungen in der nächsten Phase der Elektromobilität. Wir wollen zum Beispiel mehr Daten zur Verfügung stellen, sodass die Person am Steuer nicht nur weiß, wo die nächste Ladestation ist, sondern auch gleich, wie gut diese Ladestation schon von anderen Elektroautofahrenden bewertet wurde. So sollen auch Nicht-Expertinnen und Nicht-Experten abgeholt werden. Stichwort „Seamless easy charging everywhere“ – das ist genau das, was wir erreichen wollen.

Das klingt spannend. Sie sprechen das Thema Herausforderungen an. Vor Kurzem berichtete u.a. das „Handelsblatt“, dass noch Tausende Ladestationen nicht eichrechtskonform seien. Aktuell dulden die Behörden dies mehr oder weniger, weil ihr einziges Mittel die Stilllegung der Ladestationen wäre, dann aber potenziell die Infrastruktur letztlich zusammenbrechen würde. Das sind natürlich Meldungen, die Endverbraucherinnen und Endverbraucher verunsichern. Wie bewerten Sie solche Nachrichten? Welche Signale sind aus Ihrer Sicht wichtig, um mehr Transparenz und auch mehr Vertrauen zu schaffen?

Sie sprechen ein gutes Thema an, das Thema Vertrauen. Das ist natürlich ein elementares Gut in jeder Industrie, ja, nicht nur in der Elektromobilität. Das ist schon eine gewisse Herausforderung, einfach aufgrund der geringen Reife im Markt. Auch wenn wir schon relativ lange über Elektromobilität sprechen, ist es ja erst vor zwei, drei Jahren so richtig losgegangen. Wir sprechen aktuell in Deutschland von insgesamt 48,3 Millionen Pkw. Von diesen sind heute nur knapp halbe eine Million rein batterieelektrisch. Das heißt, hier ist noch ein Riesenpotenzial nach oben. Dieses werden wir aber nur erschließen, wenn wir es schaffen, dass man dem Laden an sich bei Elektrofahrzeugen vertrauen kann. Deswegen sollte man versuchen, das Laden überall zu ermöglichen. Viele Kundinnen und Kunden laden zu Hause oder beim Arbeitgeber. Aber wir gehen davon aus, dass man zukünftig einfach überall laden können wird: Am Restaurant, vor dem Supermarkt, neben dem Kino – dort wird eine intakte und unkomplizierte Ladestation sein. Was wir auch merken, ist, dass viele Menschen einfach auch noch ein bisschen stärker an die Hand genommen werden müssen – gerade beim Erwerb der Elektrofahrzeuge beim Fahrzeughändler.

An welchen Punkten hapert es denn noch?

Ob man es glaubt oder nicht – es sind teilweise die banalsten Dinge, die ein Problem darstellen können, einfach, weil die Erfahrung fehlt. Die Reihenfolge des Ladens beispielsweise: Muss ich erst einstecken und dann die App bedienen oder anders herum? Und wenn es nicht funktioniert, dann bleibt dieses Erlebnis im Gedächtnis hängen. Deswegen müssen wir als Branche noch mehr investieren. Aber man darf eben auch nicht vergessen – Sie haben eben das Beispiel „Eichrecht“ genannt – dass aktuell neue Anforderungen auf uns zurollen, die immer ein bisschen mehr verlangen, obwohl das Fundament noch gar nicht richtig aufgebaut ist. An dieser Stelle stehen viele Unternehmen noch vor großen Herausforderungen, weil sie zwischen rechtlichen Anforderungen einerseits und einer guten Kundenerfahrung andererseits gefangen sind. Und dann fällt die Entscheidung hauptsächlich zugunsten der rechtlichen Anforderung, weil niemand „einen auf den Deckel bekommen“ möchte, die Kundenzufriedenheit spielt dann häufig eine nachrangige Rolle. Das ist noch zu häufig der Status quo. Das wird sich ändern, und es wird sich relativ schnell ändern. Wir sind aktuell noch in einer Phase, in der es vielleicht auch ganz normal ist, dass die Herausforderungen so präsent sind. Hier sehen wir im Übrigen auch Städte und Gemeinden stärker gefragt. Wenn man sich einmal anschaut, wo Ladestationen entstehen, dann ist das heute noch häufig im privaten und halböffentlichen Bereich und auf Autobahnen. Meines Erachtens ist es daher eine große Herausforderung, dass Städte und Gemeinden noch stärker in eine Rolle versetzt werden müssen, den Ausbau der Ladeinfrastruktur gezielt zu unterstützen und voranzutreiben.

 Seit 2020 kooperiert Hubject mit ubitricity. Das Berliner Start-up stattet Straßenlaternen mit unauffälligen Ladelösungen aus, um die öffentliche Ladeinfrastruktur zu stärken. © ubitricity

Seit 2020 kooperiert Hubject mit ubitricity. Das Berliner Start-up stattet Straßenlaternen mit unauffälligen Ladelösungen aus, um die öffentliche Ladeinfrastruktur zu stärken. © ubitricity

Genauso wenig wie die Industrie kann es jedoch auch die öffentliche Hand allein richten …

Ja, deshalb ist es unser Anliegen, in einen Austausch zu treten. Wir möchten Städte und Gemeinden in ihrer Rolle stärken, denn ohne sie wird dieser Wandel nicht funktionieren. Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir einfach immer mehr unseren Zielen hinterherrennen. Es wurde neulich die Rechnung aufgestellt, dass es uns heute in Deutschland im Durchschnitt lediglich gelingt, monatlich knapp 1.000 Ladestationen im öffentlichen Raum zu errichten. Um unsere Wachstumsziele zu erreichen, müssten wir jede Woche, nicht jeden Monat, 2.000 Ladestationen installieren. Das heißt, wir haben pro Monat ein Delta von 7.000, das immer weiter anwächst. Ich denke, dass wir eine stärkere und eine klarere Perspektive von Städten und Gemeinden haben müssen, wie diese Entwicklung zukünftig vonstatten gehen kann. Denn natürlich wissen wir: Ladesäulen zu errichten, kann z.B. einen Impact auf das Stromnetz haben, auf das Thema Parkraumbewirtschaftung. Es gibt zahlreiche Rahmenbedingungen, die dabei noch zu berücksichtigen sind. Und hier sind Städte und Gemeinden insbesondere gefragt, um auf lokaler Ebene entsprechende Handlungsanweisungen und Rahmenbedingungen zu schaffen für einen weiteren Auf- und Ausbau von Ladeinfrastruktur.

Es gibt ja im Zuge des digitalen Strukturwandels durchaus Bestrebungen der öffentlichen Hand, Städte durch Förderungen und unterschiedliche Programme zu trainieren und Blaupausen zu generieren, Stichwort digitale Modellkommunen, Smart City, Reallabore, etc. Der Eindruck ist oft, dass der Gedanke des Ladeinfrastrukturausbaus häufig hier nicht prioritär enthalten ist, wenn überhaupt. Haben Sie eine Erklärung hierfür? Ist der Themenbereich zu komplex? Oder müsste noch mehr verzahnt werden Richtung Kommunen, deren Tochterunternehmen sowie privatwirtschaftliche Unternehmen im Verkehrs- und Energiesektor?

Das ist ein Punkt, den man aus zwei Perspektiven betrachten kann. Natürlich haben viele Kommunen heute städtische Energieversorger, die Stadtwerke, die Gemeindewerke – und denen gibt man das Thema gedanklich mit auf den Weg. Dadurch entstehen für diese Unternehmen viele Herausforderungen. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur hat eine stark betriebswirtschaftliche Perspektive, es geht vereinfacht gesagt darum, ob sich der Aufbau von Ladesäulen lohnt oder nicht. Und bei den geringen Stückzahlen lohnt sich eine entsprechende Investition meistens noch nicht. Das bedeutet, dass man in die Zukunft investieren müsste, was aber bei so hohem wirtschaftlichem Druck schwierig ist. Vielleicht ist es eine Möglichkeit, dass man diese Prozesse zum Teil aus der kommunalen Hand herausgibt, was zwar immer schwierig ist, aber auch sinnvoll sein kann. Wir müssen deutschlandweit die Ober- und die Mittelzentren und am Ende natürlich auch die breite Fläche erreichen, weil dort ein hohes Mobilitätsbedürfnis besteht. Akzeptanz für Elektrofahrzeuge werden wir nur schaffen, wenn man auch in der Fläche das Gefühl hat, dass man eine gute Infrastruktur vorfindet.

Zumal die herkömmliche Tankstelle im Zweifel näher ist als die nächste Ladesäule. Welche Erfahrungen gibt es denn dahingehend im europäischen Vergleich – und wo reiht sich Deutschland ein?

Dadurch, dass in europäischen Ländern sehr unterschiedliche Herausforderungen bestehen, glaube ich, dass es in Deutschland bereits gute Ergebnisse gibt – aber auch noch Raum für Verbesserungen. Hierzulande sollen ab 2040 keine Verbrennerfahrzeuge mehr verkauft werden, ein fixes Gesetz gibt es jedoch nicht. Da heißt es aus anderen Staaten deutlicher: Ab 2030 gibt es ein Verbrennerverbot für Neufahrzeuge. Dann bleiben für diesen Turnaround noch acht, neun Jahre; ob bis dahin für alle eine praktikable Lösung gefunden werden kann, ist durchaus fraglich – das gilt aber überall. Und wenn man vermeiden möchte, dass beispielsweise die ländliche Bevölkerung auf der Strecke bleibt, muss das Tempo eindeutig erhöht werden – als auch Lösungen gefunden werden, um nicht nur Neuwagenkäufer zu bedienen. Ich halte es daher für wichtig, die Kommunen stärker zu unterstützen und zum Bau von Ladesäulen zu animieren. So könnten vielleicht auch kleinere Gewerbe stärker in das Thema einsteigen. Ich glaube, die Menge an möglichen Anreizen ist sehr groß.

Hubject hat sich einiger Hürden der E-Mobilität angenommen. Salopp gesagt: Es gibt sicherlich einfachere Geschäftsfelder. Worin liegt der Reiz begründet? Und darauf aufbauend: Was ist Ihre Zukunftsvision?

Diese Verknüpfung von unterschiedlichen Perspektiven aus Automobil- und Energiewirtschaft sowie Hardware, Software und Technologien kann natürlich kompliziert, auch aufreibend sein. Doch wenn alles funktioniert oder zumindest in die richtige Richtung geht, wird am Ende einer der größten Treiber für CO2-Emissionen deutlich weniger klimaschädlich werden – nur so können wir den Klimawandel verlangsamen, ggf. irgendwann sogar stoppen. Tatsächlich bin ich hoffnungsvoll, auch im Hinblick auf sich gerade entwickelnde Märkte. Indonesien oder die Philippinen beispielsweise überlegen, von Anfang an auf Elektrofahrzeuge zu setzen, wodurch ein enormes Neufahrzeugvolumen entstehen kann, was wiederum dem weltweiten Markt zugutekommt. Das früher lange in Schwellenmärkten formulierte Credo, man habe auch ein „Recht, die gleichen Fehler wie andere Länder zu begehen“, weicht einem nachhaltigen Verständnis für Innovation. Die weitaus einfachere Herstellung von Elektrofahrzeugen gegenüber dem herkömmlichen Verbrenner begünstigt zudem die Entstehung kleiner, lokaler Produktionen. Dadurch werden Fahrzeuge wieder vielfältiger und können leichter auf kleinteilige Bedürfnisse des Mobilitätssektors ausgerichtet werden. Am Ende steht – wenn man so will – ein fahrendes Smartphone. Ich sehe es als große Chance an, diese industrielle Revolution 2.0 zu begleiten.

Wir danken Ihnen vielmals für das Gespräch.

Christian Hahn

Christian Hahn

Christian Hahn

Chrisitan Hahn ist CEO bei Hubject, der weltweit größten E-Roaming-Plattform. Zunächst seit 2012 Leiter der Geschäftsentwicklung und Verwaltung, übernahm er 2015 die Leitung des Unternehmens und konzentriert sich nun auf die Bereiche Strategie, Investor Relations und den globalen Unternehmensaufbau. Zuvor spezialisierte sich der studierte Wirtschaftsingenieur (Schwerpunkt Umwelt- und Veränderungsmanagement) auf die Beratung in der Energieversorgungsbranche und war für die Bereiche Strategie und Geschäftsentwicklung, Optimierung von Geschäftsprozessen und Projektmanagement, Smart Energy, intelligente Netze und Smart Metering verantwortlich.

Autoren

Csilla Letay und David O‘Neill