Köln: 11.–12.06.2025 #polismobility

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Alles in Reichweite?

Erreichbarkeit mit Daten sichtbar machen

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Mobilität ist ein abstrakter Begriff, der sich mitunter schwer anschaulich darstellen lässt. Etwas greifbarer für Planer:innen ist daher die Erreichbarkeit. Mit der Zunahme verfügbarer Daten wird immer besser erkennbar, wo die Versorgung gut ist und wo die Wege weit sind. Plan4Better, eine Ausgründung aus der TU München (TUM), entwickelt eine Planungssoftware, die Erreichbarkeiten in Städten einfach darstellbar machen und so nachhaltige Mobilität fördern soll.

Hexagonale Heatmaps zeigen die Erreichbarkeit an, hier für Bikesharing-Stationen in München. © Plan4Better GmbH

Hexagonale Heatmaps zeigen die Erreichbarkeit an, hier für Bikesharing-Stationen in München. © Plan4Better GmbH

Egal, ob Arbeit, ein Besuch im Krankenhaus oder das Treffen in der Kneipe: Der Weg ist oft Mittel zum Zweck. Wie sich dieser Weg gestaltet, bestimmen persönliche Präferenzen, aber auch eigene Voraussetzungen wie etwa der Besitz eines Führerscheins.

Entscheidend bei der Wahl des Verkehrsmittels: die Infrastruktur. Sie beeinflusst, wie schnell und mit welchen Mitteln Ziele zu erreichen sind. Mit dem Indikator der Erreichbarkeit lässt sich Infrastruktur verkehrsplanerisch bewerten, gerade auch vor dem Hintergrund individueller Voraussetzungen. Sie drückt aus, wie gut eine Gegend erschlossen ist: Wo befinden sich Supermärkte in Laufweite? Wo wird ein Auto benötigt? „Durch den Erreichbarkeitsansatz sieht man sehr schön, wo Verbesserungen ansetzen können“, fasst Ulrike Jehle zusammen, Co-Geschäftsführerin von Plan4Better.

Von der Masterarbeit zum Start-up

Mit ihrem Team entwickelt Jehle ein Tool, das solche Fragen beantworten soll: das Geo Open Accessibility Tool, kurz: GOAT. Das Web-Portal bündelt mobilitätsrelevante Geodaten aus mehreren Quellen und stellt einfache Analysetools bereit: Mit Heatmaps, Isochronen und Indikatorenauswertungen wird deutlich, welche Gebiete in einer Stadt wie gut für jeweils verschiedene Bedürfnisse versorgt sind.

Der erste Prototyp entstand in einer Masterarbeit von Elias Pajares. Als er anschließend an der TUM arbeitete, erhielt die Idee eine Förderung aus der mFUND-Initiative des Bundesverkehrsministeriums. So konnten er, Majk Shkurti und Ulrike Jehle in Vollzeit an der Weiterentwicklung arbeiten, wie Jehle berichtet. „Gegen Ende des Projekts haben wir so gutes Feedback von unseren Projektpartner:innen, den Städten Fürstenfeldbruck, Freising und München, bekommen, dass wir uns entschlossen haben, ein Start-up zu gründen. So können wir das, was wir in der Forschung entwickelt haben, jetzt in die Planungspraxis bringen.“ Pajares und Jehle bilden nun die Geschäftsführung der Plan4Better GmbH, die mittlerweile elf Menschen beschäftigt. In einem Konsortium, bei dem auch wieder die TUM und das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung dabei sind, erhielt GOAT 2021 eine Folgeförderung, mit der das Tool den nächsten Entwicklungsschritt nehmen soll.

Die Gründer:innen von Plan4Better: Ulrike Jehle, Majk Shkurti und Elias Pajares (v.l.). © Cindy Ngo

Die Gründer:innen von Plan4Better: Ulrike Jehle, Majk Shkurti und Elias Pajares (v.l.). © Cindy Ngo

Visuelles Arbeiten mit Erreichbarkeitsanalysen

GOAT soll vor allem als Hilfe für Kommunen und Planungsbüros dienen: „Ein großes Ziel mit GOAT ist es, Erreichbarkeitsanalysen zugänglich zu machen, auch ohne ein Studium in GIS (Geoinformationssysteme, Anmerkung der Redaktion).“ Das Tool kombiniert dafür Daten aus verschiedenen Quellen: Aus OpenStreetMap, Bevölkerungsstatistiken, Fahrplandaten und weiteren Quellen setzt sich so ein Gesamtbild zusammen. Je mehr verfügbar ist, desto besser. Das Tool selbst wird von Anfang an als Open Source entwickelt, sodass es für alle zur Verfügung steht, die sich eine eigene Version installieren wollen. Die Entwicklung ist auf Deutschland fokussiert, aber das Prinzip ist übertragbar: Laut Jehle sei es gelungen, relativ schnell eine Version für die belgische Stadt Gent anzubieten, die der Version für München „in nichts nachsteht“ – dank guter öffentlicher Geodaten.

Mit GOAT kann aber nicht nur der Status quo untersucht werden, sondern auch Szenarien für mögliche Veränderungen: Welchen Effekt hat eine Fußverkehrsbrücke? Wie gut ist ein neues Wohngebiet versorgt? Wer will, kann den Effekt in Szenarien ausprobieren, aber auch eigene Punktdatensätze hochladen und in die Auswertung einbeziehen. Neben verschiedenen grafischen Darstellungen wie Heatmaps und Isochronen können viele der Ergebnisse auch wieder exportiert werden. Für die hexagonalen Heatmaps arbeite man aber noch daran: GOAT ist funktionsfähig, aber neue Ideen gibt es immer. Verbesserungen sollen etwa bei der Abbildung intermodaler Reiseketten oder der Integration der Freiraumplanung erfolgen. Außerdem steht die 15-Minuten-Stadt im Fokus, in der alle wichtigen Ziele nie weiter als eine Viertelstunde Fußweg (oder Radstrecke) entfernt sind: Ziel von Plan4Better ist es, in einem aggregierten Indexwert zeigen zu können, wie gut dieses Prinzip in einer Stadt bereits verwirklicht ist und in welcher Kategorie es Stärken und Schwächen gibt.

ÖPNV-Abfahrtshäufigkeiten in GOAT © Plan4Better GmbH

ÖPNV-Abfahrtshäufigkeiten in GOAT © Plan4Better GmbH

Erreichbarkeit im Fokus der Mobilitätsforschung

Auch andere interessieren sich dafür, die 15-Minuten-Stadt greifbarer zu machen. Auf der Website 15-Minuten-Stadt.de haben zwei engagierte Gießener zum Beispiel Daten aus OpenStreetMap ausgewertet: Sie zeigen an, wo sich besonders vielfältige Einrichtungen aus den Bereichen Mobilität, Nahversorgung, Freizeit, Gesundheit, Bildung und Naherholung finden und bewerten das in einer aggregierten Skala. Das Tool Map4Citizens, ebenfalls von Plan4Better, fragt persönliche Bedürfnisse ab und zeigt so individuelle Erreichbarkeiten am Beispiel der Stadt München auf. Dass besonders individuelle und gesellschaftliche Bedürfnisse Einfluss auf die Mobilität und damit auch die Erreichbarkeit haben, zeigen Forschungen an der TU Berlin zur Mobilitätsplanung und an einem Mobilitätsindex.
Mit besseren Modellen und differenzierterem Verständnis von Mobilität wandelt sich die Erreichbarkeit von einem unbestimmten Gefühl zu einem quantifizierbaren Wert.