GAIA-X für die Mobilität der Zukunft
„Eine ganzheitliche, angebotsübergreifende und transparente Systemarchitektur für den Austausch von Daten im Straßenverkehr ist heute nicht verfügbar. Zwar gibt es einzelne Unternehmen, die aktuell schon Dienste anbieten. Aber diese Services sind auf spezielle Anwendungen, Fahrzeuge oder Kundengruppen zugeschnitten“, erklärt Peter Busch, Projektleiter von Konsortialführer Bosch für das Forschungsprojekt GAIA-X 4 moveID. Die Infrastruktur beispielsweise sei oftmals kartografiert, allerdings lägen Informationen zur Verfügbarkeit der Services aufgrund fehlender Vernetzung der vielen unabhängig agierenden Anbieter selten vor. Mit GAIA-X 4 moveID wollen daher Hochschulen, Autozulieferer und Systemprovider gemeinsam unter der Leitung von Bosch in den kommenden drei Jahren die erforderlichen Standards und technologischen Konzepte für einen sicheren Informationsaustausch zwischen Fahrzeugen und ihrem Umfeld, zwischen Anbietern und Kunden von Mobilitätsanwendungen entwickeln. Das Ziel: dezentrale digitale Fahrzeugidentitäten. Für den Massenbetrieb von Elektromobilen, das automatisierte Fahren sowie den Aufbau vernetzter Städte wird dies zu einer wichtigen Voraussetzung.
Zu den Projektteilnehmern zählen unter anderem die Unternehmen Denso und Continental, WOBCOM, das Luftfahrt- und Rüstungsunternehmen Airbus sowie verschiedene Forschungseinrichtungen. GAIA-X 4 moveID ist eingebettet in die größer angelegte europäische Initiative GAIA-X zum Aufbau einer branchenübergreifenden, vernetzten und geteilten Dateninfrastruktur in Europa. GAIA-X folgt europäischen Datenschutzgrundsätzen und setzt auf eine dezentrale Architektur und Transparenz. Hierzu werden europaweit Beiträge geleistet. GAIA-X setzt in verschiedenen Anwendungsdomänen Akzente, wie etwa der Mobilität. Hier ist die Projektfamilie GAIA-X 4 Future Mobility verankert, zu der auch das Projekt GAIA-X moveID gehört.
GAIA-X 4 Future Mobility wird vom Institut für KI-Sicherheit im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) koordiniert und bietet den Rahmen für bisher fünf Projekte, die rund 80 Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammenbringen, deren Fokus auf der Entwicklung datenzentrierter Anwendungen liegt, bei denen eine enge Vernetzung von Nutzern, Dienstleistern, Herstellern und Zulieferern besonders wichtig ist. In den einzelnen Projekten geht es unter anderem um eine intelligente Verkehrsinfrastruktur, den Produktlebenszyklus oder digitale Zwillinge im Zusammenhang mit dem automatisierten Fahren. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz fördert GAIA-X 4 moveID mit 14 Mio. Euro und trägt so die Hälfte der Projektkosten.
© Bosch
Mit Vernetzung digitale Services flächendeckend anbieten
Mit den von GAIA-X 4 moveID anvisierten Standards sollen Fahrzeuge Informationen mit anderen Fahrzeugen und ihrer Umgebung sicher und souverän ohne „Vermittler“ austauschen können. Zu den „Infrastrukturpartnern“ der Fahrzeuge zählen beispielsweise Ladesäulen, Schranken, Lichtsignalanlagen oder Parkplätze.
In welchen Parkhäusern gibt es gerade freie Ladesäulen? Wo sind in der Innenstadt noch Parkplätze verfügbar? Und wie lassen sich diese Informationen digital übermitteln und die Services anbieterübergreifend abrechnen? Die Lösung für diese und ähnliche Fragen setzt einen sicheren Datenaustausch zwischen den Fahrzeugen und ihrer Umgebung voraus. „Damit Nutzer beispielsweise alle verfügbaren Ladesäulen finden oder Ladevorgänge bezahlen können, bedarf es offener Standards“, erklärt Peter Busch. Dabei müsse stets gewährleistet sein, dass die Daten sicher verarbeitet und nicht von einzelnen Anbietern ausschließlich zu eigenen Zwecken verwendet werden. Nur so könne das notwendige Vertrauen der Nutzer wachsen und ein breites Angebot aller verfügbaren Dienstleistungen entstehen, wie etwa das sogenannte Deep-Parking (Nutzen von sonst nicht verfügbaren Parkplätzen).
Aus diesem Grund baut das Konsortium auf dem europäischen GAIA-X-System auf, das technische, ökonomische und rechtliche Grundlagen für eine vertrauenswürdige und sichere Dateninfrastruktur definiert. GAIA-X setzt dazu auf Dezentralisierung und das Zusammenspiel verschiedener Cloud-Anbieter mit gemeinsamen Richtlinien. In diesem Sinne handelt auch das Projekt GAIA-X 4 moveID. Es nutzt Open Source für seine Entwicklungen, und stellt diese allen Anbietern für unterschiedliche Geschäftsmodelle zur Verfügung.
Das Forschungsprojekt will für Interaktion und Handel der Akteure untereinander Management- und Verwaltungsservices mit Hilfe international anerkannter Hard- und Software entwickeln. Vor allem im autonomen Fahrbetrieb könnten die Anbieter so Angebote wie Nachrichten, Unterhaltung, Navigation und vieles mehr mit dem System des Autos verknüpfen. Allein der Markt für Dienstleistungen rund um das vernetzte Parken wird weltweit auf zehn Milliarden Euro jährlich geschätzt. Zudem ist das gezielte Ansteuern von Parkmöglichkeiten ein wichtiger Beitrag zum Abbau von Verkehr und Emissionen – die Suche nach einem Stellplatz macht heute rund ein Drittel des innerstädtischen Verkehrs aus. Auch für den Erfolg der Elektromobilität ist die Verfügbarkeit von Informationen ein wesentlicher Faktor. In Europa werden Schätzungen zufolge bis 2030 gut die Hälfte der neu zugelassenen Automobile elektrisch angetrieben. „Ihre Nutzer müssen sich darauf verlassen können, möglichst rasch und rechtzeitig Lademöglichkeiten zu finden. Die Vernetzung der Systeme ist dafür grundlegend“, so Peter Busch.
Intensiver Datenaustausch für automatisiertes Fahren
Automatisiertes Fahren im Massenbetrieb ist nur denkbar, wenn Automobile schnell und zuverlässig mit ihrer Umgebung kommunizieren. Der hierzu notwendige Datenaustausch ermöglicht eine klimafreundliche Steuerung der Verkehrsströme, die sich nach dem aktuellen Aufkommen richtet. So können Städte den Zugang zu bestimmten Bereichen in Echtzeit regulieren und Staus vermeiden. Dieses sogenannte Zoning setzt allerdings voraus, dass Fahrzeuge veränderte Bedingungen sofort erkennen und entsprechend neue Routen wählen. Im Rahmen von GAIA-X 4 moveID wird Zoning mit Testfahrzeugen erstmalig grenzübergreifend im Testfeld Deutschland-Frankreich-Luxemburg (Merzig/Saarbrücken) demonstriert. Autos erhalten dynamisch Informationen zur Einfahrt in definierte Bereiche.
Autorin
Csilla Letay