LOOP – DIE KOPENHAGENER ERFOLGSFORMEL FÜR MENSCHENZENTRIERTE STADTERWEITERUNG
Sukzessive werden die Flächen erschlossen und die Hafentätigkeiten verlagert, um das Stadtwachstum, auch auf künstlichen Inseln in den Örseund zu erweitern. Seit 2019 ist Camilla van Deurs Stadtarchitektin von Kopenhagen, eine Beraterin für Politik und (Fach-)Verwaltung zu den Themen Architektur, Stadtplanung und Umwelt, und sie behält die Masterziele CO2-Neutralität bis 2025 (Kopenhagens Klimaplan „CPH 2025“) und damit Kreislaufwirtschaft und Mobilität sowie die zielgerichtete Entwicklung diversen Wohnraumangebotes im Auge. Denn neben den ehrgeizigen Nachhaltigkeitszielen, für die Nordhavn die DGNB-Gold-Zertifizierung erhielt, soll zudem ein Anteil von 25 % preisgedämpfter Mieten bei Wohnbauprojekten verpflichtend sein. Bei Neubauten soll weiterhin ein paritätischer Anteil von Appartements bis 50 m² geschaffen werden, um auch Alleinstehenden ein passendes Wohnraumangebot bieten zu können.
Grüne Schlinge & Blaue Buchten – Intelligent Grid & Cultural Heritage
In der vorliegenden ursprünglichen Fassung der Projekt-Visualisierung von 2008 sind die Designprinzipien des Masterplans erkenntlich, die derzeit mit fortlaufender Entwicklung spezifisch angepasst werden. | © Cobe/SLETH/Polyform/Ramboll
Die Planungs- und Architekturbüros Ramboll, SLETH, Polyform und Cobe – letztere sitzen selbst im Innenhafen des Nordhavn – entschieden gemeinsam den Wettbewerb um den Masterplan dieser Konversion im Jahr 2008 für sich. Die Planungsprinzipien richten sich gemäß der dänischen Erfolgsformel daran aus, menschliche Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen und gleichzeitig künftige Umweltbedingungen und Technologien zu antizipieren.
Die Zonierung in distinktive Distrikte wird über bestehende Kanäle und Hafenbecken heraus weitergeführt und mithilfe von Aufschüttungen und Kanalbauten zu einem Archipel mit inselartigen Quartieren akzentuiert, wobei über adaptive Reuse von prägenden Bestandsgebäuden der Charakter der einzelnen Zonen in ihrem idiosynkratischen Kulturerbe ausformuliert werden soll.
Der green-loop, gleichsam Planungsmuster und räumlich-funktionale Schlinge, wird die Inseln über einen begrünten Fahrrad-Expressway untereinander und zum Stadtkern hin verbinden; so wird aktiver Mobilität der Vorzug gewährt und mit erholsamem öffentlichem Raum umgeben. An jedem Ort wird man innerhalb von fünf Minuten eine ÖPNV-Verbindung erreichen und die einzelnen Quartierssektionen werden mit grünen Korridoren durchzogen sein. Diese werden radial von Urban Greens, also noch stark kultivierten Grünflächen, in den zentrumsnahen Teilen bis hin zu Natural Greens in den Außenbereichen hin angelegt werden. Diese Kombination aus grüner und blauer Stadt – wassernah und naturdurchzogen – setzt Prioritäten auf qualitätvolle öffentliche Räume, die von Promenaden, Parks bis hin zu Pocket-Parks als Recreational Hideouts die kleine Flucht im Alltag erlauben.
Als dynamisches Planungsprinzip wird das Intelligent Grid der Bebauungsplanung unterlegt. Die Inseln werden jeweils wieder in Parzellen unterteilt geplant und die Bebauungsdichte und Funktionsmischung so abgestimmt, dass sich Open-City- und Dense-City-Aspekte wirkungsvoll ergänzen; eine Kombination aus hochverdichteter Bebauung und lockereren Bereichen, durchmischt von Wohnen, Büros, Einzelhandel, und kulturellen/öffentlichen Nutzungen.
Århusgadekvarter – Nukleus der künftigen Entwicklung
Im Bildhintergrund steht ein weiteres Landmark im Århusgadekvarter: das Silo von Cobe. | © Rasmus Hjortshøj – COAST
Mit der Entwicklung des inneren Nordhafenbereiches wurde im Århusgadekvarter bereits ein solider Referenzbereich geschaffen, von dem aus die künftige Entwicklung weitergetrieben wird. Die Gestaltung des Sundkaj durch SLETH zeigt symbolisch die neue Richtung auf. Der Holzsteg dient als öffentlicher, verbindender Raum des Quartiers, der Fußgänger:innen und Fahrradfahrer:innen Vorrang einräumt und den Zugang zum Wasser eröffnet.
Cobe haben mit dem Silo den einstigen Getreidespeicher einer adaptiven Umnutzung in Wohnraum und öffentliche Nutzungen, mit einem Restaurant und einer Event- und Ausstellungsfläche im Erdgeschoss, zugeführt. Die kristallin-kantige Fassade aus galvanisierten Stahlplatten erfüllt klimatechnische Standards und sorgt gleichzeitig für einen optischen Reiz dieses Landmarks.
In direkter Nachbarschaft zum Silo haben JAJA Architects mit Konditaget Lüders einem Parkhaus weiteren Sinn verliehen, indem sie die Dachfläche zu einer Sportund Freizeitanlage transformiert haben. Die Fassade, die neben ihrer begrünenden Wirkung auch als Zugang zum Dach fungiert, ist in ihrer Gestaltung symbolisch für das Rote Viertel (Red Neigborhood), wie es wegen seiner ursprünglich vorherrschenden Klinkerbebauung der Hafengebäude genannt wird. Reliefs entlang der Aufgänge zitieren Geschichte und Zukunft des Areals.
Energylab Nordhavn
Die bauliche Entwicklung des Hafens begleitet ein Smart-Energy-Reallabor-Projekt, das EnergyLab Nordhavn, das über ein Public-Private-Partnerschip aus zwölf Projektpartnern abgebildet wurde, und derzeit als Vereinsorganisation weiter besteht. Das Energiesystem des Quartiers ist auf erneuerbare Energien (Wind und Sonne) abgestimmt, wobei die Volatilitäten der Energieverfügbarkeit über ein smartes System aus Pufferspeichern ausgeglichen werden. Batteriespeicher, die im Parkhaus eingebaut sind, ein Wärmepufferspeicher am Kreuzfahrtterminal und Smart-Home-Technologien ermöglichen es, Wasser und Heizungen bei Volllast der Versorgung zu erwärmen und so die Energie dezentral auch in den Haushalten zu speichern. Das EnergyLab Nordhavn beweist, wie sich mittels intelligenter Echtzeit-Datenanalyse die Strom- und Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien darstellen lässt und bringt das Sharing-Konzept in den Energiesektor. Die experimentellen Komponenten, Infrastrukturen und Vertragsbeziehungen der Kooperationen dienen der Demonstration der Möglichkeiten und als Vorbild für weitere Quartiersprojekte.
Autor
Michael Müller