Köln: 11.–12.06.2025 #polismobility

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Mobilität im Wandel

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Wie entwickelt sich die Mobilität in der Stadt von morgen? Eine im Rahmen der polisMobility erarbeitenden Studie gibt spannende Einblicke.

Mobilität im Wandel Foto: ©iStock/Sven Loeffler

Mobilität im Wandel Foto: ©iStock/Sven Loeffler

Das Mobilitätsverhalten wandelt sich. Dieser Wandel wird – neben einer Vielzahl an soziokulturellen und wirtschaftlichen Parametern – zu einem großen Teil von Innovation und Fortschritt bestimmt. In einer im Rahmen der polisMOBILITY erarbeiteten Studie zur Zukunft der innerstädtischen Mobilität zeigt das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) auf, wie sich die Mobilitätsgesellschaft der Stadt von morgen gestalten könnte.

Das Paradoxon urbaner Mobilität

Innerstädtischer Mobilität wohnt ein Widerspruch inne: Langfristig bedrohen einige ihrer Formen das urbane Leben, das sie gleichzeitig erst ermöglichen. Ist die Erreichbarkeit von Orten, an denen soziale Interaktion stattfindet und essenziellen Aktivitäten nachgegangen werden kann, nicht gewährleistet, ist die Teilhabe am gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Leben eingeschränkt. Gleichzeitig sorgen Straßen voller laufender Verbrennungsmotoren, überfüllter Busse und parkender Autos für eine beeinträchtigte Luftqualität, eine erhöhte Stressbelastung und lassen dem öffentlichen Leben nur wenig Raum. Einsparungen klima- und gesundheitsschädlicher Emissionen einerseits und die Aufrechterhaltung einer Mobilität für alle andererseits miteinander zu vereinbaren – gehört zu den wichtigsten Herausforderungen einer zukunftsorientierten Stadt- und Verkehrsplanung.

Das Auto auch in Metropolen weiterhin im Vordergrund

Der motorisierte Individualverkehr beherrscht den Modal Split im ländlichen Raum aufgrund oft unzureichender Infrastruktur im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Doch auch in Metropolen wie London, Paris und Berlin, in denen teils flächendeckend ausgebaute ÖPNV-Netze in Betrieb sind, ist der Anteil der im eigenen Pkw zurückgelegten Personenkilometer weiterhin hoch. Laut der aktuellen DLR-Studie „Herausforderungen und Lösungsansätze für eine nachhaltige Mobilität zukunftsfähiger Städte“, die für polisMOBILITY angefertigt wurde, beträgt der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) am Modal Split Londons 34% und liegt in Paris mit 36% sogar noch etwas höher. Berlin steht mit etwa einem Viertel besser da und weist mit 18% von allen erhobenen Städten den mit Abstand höchsten Anteil an zurückgelegten Fahrradkilometern auf.

Der durchschnittliche Anteil des Pkw an der Mobilität in deutschen Metropolen liegt bei 27% und wächst um weitere 10%, sofern Mitfahrende miteinbezogen werden. Je kleiner die Stadt, desto höher der Anteil: In Großstädten macht der MIV kumuliert 50% aus, in Mittel- 59% und in Kleinstädten 66%. Parallel schrumpfen die anderen Mobilitätsformen, allen voran der in kleineren Ortschaften häufig nur dürftig ausgebaute ÖPNV, der in Metropolen 21% einnimmt und in Kleinstädten nur noch 7%.

Vermeiden, verlagern, verbessern

Mit Blick auf die klimapolitischen Zielsetzungen in Deutschland und der gesamten Europäischen Union, die im Pariser Klimaabkommen festgelegt wurden, sind diese Zahlen nicht zufriedenstellend. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor um mindestens 40 bis 42% gegenüber dem Jahr 1990 reduziert werden, bis 2050 sogar um 80 bis 95%. Dafür braucht es ganzheitliche Ansätze, die auf drei Säulen beruhen: „Vermeiden, verlagern, verbessern.“ Nicht zwangsläufig notwendige Reisen sollen also – wie etwa während der Corona-Pandemie – ausfallen, das Auto durch das Rad oder die Bahn ausgetauscht und der technologische Standard der jeweiligen Verkehrsmittel optimiert werden.

Technologiewandel für die Klimaziele

Eines der wichtigen Grundprinzipien ist also die Umstellung auf umweltfreundliche Antriebe sowohl im individuellen Personenverkehr als auch im öffentlichen Mobilitätssektor. Derzeit führen sinkende Batteriezellpreise und steigende Reichweiten zu einer verhältnismäßig rasanten

Elektrifizierung des Fahrzeugbestands
.

Norwegen beispielsweise, bis dato mit einem Marktanteil von 54,3% unangefochtener Spitzenreiter in puncto Neuzulassungen rein batterieelektrisch angetriebener Fahrzeuge, verzichtet ab 2025 komplett auf Benzin und Diesel; Schweden, Finnland, Dänemark, Irland, die Niederlande und Slowenien ziehen fünf Jahre später nach. Wenngleich der Marktanteil nur in Schweden bereits über 5% hinausgeht, sollen die zukünftigen technologischen Entwicklungen den Prozess in den nächsten Jahren beschleunigen.

Auto nur an zweiter Stelle

Trotz seiner hochfrequenten Nutzung ist das Auto laut einer Civey-Befragung nicht das beliebteste Verkehrsmittel der Deutschen. Tatsächlich gab mit 83% der Großteil der Befragten an, gern zu Fuß zu gehen, während es 77% nach eigener Angabe präferierten, sich mit dem Auto fortzubewegen. Auf dem dritten Platz folgt das Fahrrad mit 60% und abgeschlagen auf dem letzten Platz der ÖPNV (34%).

Dass sich das Fahrrad als Fortbewegungsmittel auf dem dritten Platz wiederfindet, kann viele Gründe haben; wie etwa die Marginalisierung von Radfahrenden im innerstädtischen Straßenverkehr. Selbst in der Fahrradstadt Münster hat jede Person durchschnittlich 4,8 m2 Pkw-Abstellfläche zur Verfügung, während das Radwegenetz pro Kopf nur eine Streckenlänge von 13 cm bereithält. In Berlin stehen 3,5 m² 12 cm gegenüber, und bei einem Großteil der Städte ist das Verhältnis noch deutlicher. Solange Radfahrende sich Hauptverkehrsstraßen mit Autos und Lastwagen teilen müssen, wird das Rad als alltägliches Fortbewegungsmittel nicht an Beliebtheit gewinnen. Dies ist womöglich auch der Grund dafür, dass 52,3 % von über 2.500 befragten Personen autofreie Zonen in Großstadtvierteln befürworten, um mehr Platz für Fahrräder und Fußgänger zu schaffen.

In Paris wurde in diesem Zusammenhang im Rahmen der Initiative La ville du quart d‘heure
in kommunales Parkraummanagement in die Wege geleitet, um die Anzahl von privaten Pkw zu begrenzen. Parallel wurde die Radinfrastruktur ausgebaut. Mit Erfolg: Während 2003 noch 166.000 öffentlich zugängliche Pkw-Stellplätze im Straßenraum verfügbar waren und das Radwegenetz 282 km betrug, standen 2018 25.000 Stellplätze weniger zur Verfügung. Die Streckenlänge für Radfahrende lag 2014 bei über 700 km und soll im nächsten Schritt noch verdoppelt werden.

Radverkehr braucht Anreize

Anreize wie diese können – wie das Beispiel Paris zeigt – von kommunaler Ebene geschaffen werden, um das Fahrrad auch in Metropolen als sicheres Verkehrsmittel zu etablieren. Auch in deutschen Städten wird auf diese Weise versucht, Hindernisse wie Sicherheitsbedenken und unnötige Umwege aus dem Weg zu räumen. Mit Erfolg: In Berlin nahm das Fahrrad 2018 18 % des Modal Split ein, eine Steigerung um etwa ein Drittel im Vergleich zu 2013. Währenddessen verlor der MIV vier Prozentpunkte und stand 2018 mit einem Gesamtanteil von 26 % nur noch an dritter Stelle.

Der Einfluss, den politische Intervention auf die Verteilung von Rad-, Fuß- und Autoverkehr ausüben kann, ist beachtlich. Das Beispiel Norwegen zeigt zudem, dass auch eine komplette Abkehr von Verbrennungsmotoren keine Utopie ist, sondern mithilfe der richtigen Impulse, etwa Steuervergünstigungen und Parkvorteilen, in verhältnismäßig kurzer Zeit erreicht werden kann. Urbane Mobilität muss also nicht widersprüchlich sein; sie kann auch in allen Sektoren im Zeichen des Fortschritts stehen.