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Eine Million Elektrofahrzeuge

Mobilitätswende in Deutschland: Der aktuelle Stand

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Fällt der Begriff „Mobilitätswende“, steht die erste Assoziation häufig mit batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeugen im Zusammenhang. Die Bedeutung dieser für eine nachhaltige urbane Verkehrslandschaft ist unbestritten, wird jedoch häufig fehlinterpretiert.

E-Bikes und Ladestation

© Sven Löffler

Fällt der Begriff „Mobilitätswende“, steht die erste Assoziation häufig mit batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeugen im Zusammenhang. Die Bedeutung dieser für eine nachhaltige urbane Verkehrslandschaft ist unbestritten, wird jedoch häufig fehlinterpretiert. Der Schlüssel liegt nicht in einer Umrüstung der Flotte, sondern in ihrer Verkleinerung; gepaart mit der Stärkung anderer Mobilitätsformen.

Der Anteil batterieelektrisch betriebener Pkw an den insgesamt verzeichneten Neuzulassungen steigt stetig. 33.420 reine Stromer wurden allein im Juni 2021 neuzugelassen, was einen Marktanteil von 12,2% bedeutet. Im Vormonat lag er etwa einen halben Prozentpunkt niedriger. Auch wenn die Wachstumsrate im Vergleich erneut leicht gesunken ist, befindet sie sich mit über 300% weiterhin auf einem hohen Niveau. Die mit Abstand meisten Neuzulassungen erzielte Tesla mit seinem Model 3 (4.462), das im Jahresvergleich knapp hinter dem Wolfsburger e-Up zurückliegt.

Das 2013 von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) formulierte Ziel, dass bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen verkehren sollen, wurde beinahe dramatisch verfehlt. Durch das rapide Wachstum im laufenden Jahr konnte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) Anfang August dann doch die Erfolgsmeldung verkünden: Erstmals befinden sich eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen. Unter diesen machen rein batterieelektrisch betriebene Pkw einen Anteil von knapp über 50% aus, der Rest entfällt auf Plug-in-Hybride. Das in weiter Ferne schwebende Ziel konnte so nach achtmonatiger Verspätung erreicht werden; Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) spricht von einem „Meilenstein.“

Subventionen für das Klimaziel

Die Hauptursache für den rasanten Aufschwung liegt auf der Hand. Neben dem seit 2019 gültigen Umweltbonus, der Käuferinnen und Käufer von Elektrofahrzeugen eine Erstattung von 4.000 € gewährte, existiert seit Juli 2020 noch zusätzlich die sogenannte Innovationsprämie. Diese beinhaltet eine Verdopplung des staatlichen Anteils am Umweltbonus und liegt für rein batterieelektrisch betriebene Fahrzeuge bei 9.000 €, für Plug-in-Hybride bei 6.750 €. Übersteigt der Kaufpreis des Fahrzeugs 40.000 €, verringert sich die Zuzahlung auf 7.500 € respektive 5.625 €. Gerade im Kleinwagensegment verschwimmt der preisliche Unterschied zwischen Elektroantrieb und Verbrennungsmotor auf diese Weise immer mehr. Vielen Verbraucherinnen und Verbraucher wird die Anschaffung eines CO2-neutralen Pkw dadurch erst ermöglicht.

Abseits der Frage, ob der Kauf eines 50.000 € teuren Tesla Model 3 subventioniert werden muss, liegt der entscheidende Punkt woanders, wie Automobilexperte Frank Schwope von der Nord LB dem „comdirect magazin“ im Interview verrät. Die Innovationsprämie sei zwar hilfreich für die Stärkung der Elektromobilität, berge aber auch Problematiken. „Die Förderung für Plug-in-Hybridfahrzeuge finde ich völlig verfehlt“ , sagt er und bezieht sich auf ein gängiges Problem: Viele Dienstwagenfahrerinnen und Dienstwagenfahrer haben, so Schwope, ihr Ladekabel „noch nicht einmal ausgepackt“ und fahren konstant mit Diesel oder Benzin. „Hybrid ist eine Mogelpackung“, klagt er. Tatsächlich ist es weder für den Erhalt der Prämie, noch für eine Aufnahme in die Zulassungsstatistik von Bedeutung, ob der Elektromotor überhaupt zum Einsatz kommt.

Umweltnutzen von vielen Faktoren abhängig

Die Nichtregierungsorganisation ICCT, der Internationale Rat für sauberen Verkehr, hat die individuellen Umweltbilanzen batterieelektrischer und hybrider Pkw kürzlich in einer Studie untersucht. Das Ergebnis der ICCT-Studie: Reine Elektroautos sparen etwa 60 bis 70% der Emissionen ein, während Plug-in-Hybride nur etwa 25% weniger Schadstoffe ausstoßen als herkömmliche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Peter Mock vom ICCT fasst die Resultate im Deutschlandfunk zusammen: Die Einsparmöglichkeiten wären durch einen kollektiven Umstieg auf rein batterieelektrische Fahrzeuge weitaus größer. Doch auch an dieser Stelle ist eine Spezifizierung vonnöten.

Klein, leicht, sparsam

BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg beispielsweise hebt die Bedeutung eines verantwortungsvollen Automobilmarktes hervor – auch und gerade im Bereich der Elektromobilität: „Wir können es uns nicht leisten, riesige, ressourcenfressende Fahrzeuge mit immer größeren Reichweiten auf die Straßen zu bringen.“ Nicht jedes Elektroauto sei gleich eine Verbesserung. Hilgenberg konstatiert, das E-Auto könne seinen Beitrag zur Mobilitätswende nur dann leisten, wenn es „klein, leicht und sparsam“ sei. Dabei verweist er unter anderem auf wettkampfartig steigende Reichweiten, die die Installation großer, schwerer und ressourcenintensiver Batterien erfordern – obwohl eine Erweiterung der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur die Reichweitendiskussion völlig entkräften würde.

Um den Problemen des urbanen Verkehrs zu begegnen, ist jedoch auch Multimodalität besonders wichtig, wie Andreas Knie, Verkehrsforscher am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung, bereits 2018 im Deutschlandfunk-Interview erklärte: „Wir müssen uns grundlegend darüber Gedanken machen, wie wir uns in der Zukunft in den Städten bewegen wollen. Das geht nur mit weniger Verkehrsgerät, das besser und intelligenter genutzt wird .“ Er vertritt die Meinung, auf deutschen Straßen seien zu viele Autos unterwegs – ganz egal, mit welchem Antrieb sie sich letztendlich fortbewegten. Der Erfolg, so Knie, liege in einer Abkehr vom Eigentum und einer Hinwendung zu Sharing-Konzepten. Gleichwohl habe auch der öffentliche Personennahverkehr einen hohen Stellenwert.

Verkehrswende geht nur ganzheitlich

Integrierte Konzepte, die auf eine Verbesserung der Voraussetzungen für eine besitz- und dennoch reibungslose Mobilität abzielen, befinden sich vielerorts im Entstehungsprozess. So auch in der seit jeher automobildominierten Ruhr-Metropole Essen, wo sich die städtischen Verkehrsbetriebe für einen ausgeglichenen Modal Split einsetzen. Unter dem Namen „4 x 25 Prozent-Ziel“ sollen bis 2035 rund 75% aller Wege im Umweltverbund – zu Fuß, per Rad oder im ÖPNV – zurückgelegt werden. Die dafür nötige Infrastruktur implementiert die Ruhrbahn GmbH seit Planerstellung sukzessive in das bestehende Verkehrsnetz; mit großem Erfolg, wie Vorstandsvorsitzender Michael Feller im polis-Interview bestätigt. Unter den Maßnahmen finden sich Mobility Hubs, On-Demand-Shuttles mit Elektroantrieb, verschiedene Sharing-Dienstleistungen sowie eine App, die all diese Optionen je nach Bedarf sinnvoll miteinander zu verknüpfen weiß.

Gleichwohl wird die Relevanz des ÖPNV nicht außer Acht gelassen. Bereits 2025 wird eine neue Straßenbahnlinie in den Betrieb übergehen, die Ost und West aneinander anschließt und das Nadelöhr im U-Bahn-Tunnel entlastet. Ein Wasserstoffbus befindet sich derzeit noch im Testbetrieb, die Implementation des alternativen Kraftstoffs im straßenbasierten Nahverkehr soll folgen, sobald der Mehrnutzen bescheinigt ist. Dass sich die Stadt gleichzeitig auch um eine Erweiterung der Ladeinfrastruktur für individuelle Elektroautos bemüht, rundet das Mobilitätskonzept im Zentrum des Ruhrgebiets ab

„Das Auto ist ja so attraktiv, weil es uneingeschränkte Mobilität ermöglicht und dabei auch noch die schnellste Strecke vorgibt. Genau diesen Komfort bieten wir unseren Kundinnen und Kunden auch.“

Michael Feller
Ruhrbahn GmbH

Die Prioritäten müssen stimmen

Der rasante Anstieg der Elektroauto-Neuzulassungen spiegelt ein Umdenken in der Bevölkerung wider. Die essenzielle Bedeutung des Umstiegs von fossilen auf regenerative Antriebe ist ein Baustein der Mobilitätswende, die laut Fachleuten nicht allein „auf der Straße“ entschieden werden kann, sondern nur in einem ausgewogenen Zusammenspiel der unterschiedlichen Mobilitätsformen im urbanen Raum. Viele Expertenteams sind sich darin einig, dass sich das Streben nach immer größeren Reichweiten eher nachteilig auf die Verfassung des Planeten auswirke, ebenso wie die Mitnahme des anhaltenden (E-)SUV-Trends. Eine Problemzone bleibt in der Zusammenschau von Experteneinschätzungen überdies der Plug-in-Hybrid, der durch die Installation zweier Motoren mehr Ressourcen beim Bau benötigt und sich ökologisch nur dann rentiert, wenn der Benzinmotor für die überwältigende Mehrheit der zurückgelegten Kilometer ausgeschaltet bleibt.