Pilotprojekt "Rissen bringt’s" endet
Die „Rissener Dorfkutsche“ auf der Quartierslinie 388 transportierte zwischen dem 28. Oktober und dem 23. Dezember nicht nur Fahrgäste, sondern jeweils dienstags und samstags zwischen 10 und 13 Uhr zusätzlich auch kostenlos Einkäufe aus lokalen Geschäften – darunter eine Apotheke, ein Buchladen und eine Textilreinigung. Das Projekt „Rissen bringt’s“ wurde unterstützt von der Stadtteilschule Rissen, dem Bürgerverein Rissen e.V., der Gemeinschaft Rissener Kaufleute e.V. sowie der Else Voss Stiftung.
Als Teil des EU-Projekts MOVE21 verfolgte das Vorhaben das Ziel, die gleichzeitige Beförderung von Personen und Warensendungen im Linienbus zu erproben. Beabsichtigt war, durch das neue Angebot Ressourcen und Kapazitäten effizienter zu nutzen, Klima- sowie Verkehrsbelastungen zu reduzieren, soziale Teilhabe und Inklusion zu fördern und lokale Akteur:innen miteinander zu vernetzen. Im Bezirk Altona, zu dem auch Rissen gehört, sollen an verschiedenen Standorten unterschiedliche Lösungen modular kombiniert werden, um so Erkenntnisse für spätere reguläre Umsetzungen zu erlangen. Das Living Lab in Hamburg wird von einem Konsortium betreut, an dem unter anderem mehrere Hamburger Behörden und DB-Töchter beteiligt sind.
Um mit dem Pilotprojekt möglichst viele potentielle Nutzer:innen zu erreichen, waren die Einstiegshürden niedrig: Auswahl, Bestellung und Bezahlung der Ware erfolgten, wie bei einem klassischen Einkauf, vor Ort im Geschäft. Doch anstatt die gekauften Artikel selbst nach Hause zu transportieren, hinterlegten die Käufer:innen ihre Telefonnummer, damit sie im weiteren Liefervorgang kontaktiert werden konnten. Das jeweilige Geschäft informierte daraufhin Mitarbeitende der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH), die die Abholung der Bestellungen in den Geschäften übernahmen, diese sortierten und mit den Käufer:innen die Abholzeit vereinbarten. Die Mitarbeitenden übergaben die Bestellung dann auch an der gewünschten Bushaltestelle.
Zum Ende der Projektlaufzeit ist die Bilanz allerdings ernüchternd: In drei Monaten kam es nur zu einer einzigen Bestellung. Eine Pressesprecherin der VHH sagte auf Anfrage, dass die Hoffnungen der Initiatoren noch nicht erfüllt seien. Man habe aber versucht, das Projekt in der Vorweihnachtszeit mit zusätzlichen Maßnahmen zu bewerben und den Auslieferungsprozess für die Gewerbetreibenden zu optimieren. Ein Schlussfazit wollte sie noch nicht ziehen.
Enttäuschte Hoffnung?
Zur Einführung des Projekts „Rissen bringt’s“ machte sich Dr. Melanie Leonhard, die Hamburger Senatorin für Wirtschaft und Innovation, für einen smarten, nachhaltigen und integrierten Transport stark. Die Kombination von Linienbus und Warenlogistik sei „eine überraschend naheliegende und einfache Idee“, die zusätzlich zu ihrer Praktikabilität die Versorgung weniger mobiler Personen sicherstellen könne. Die Idee, den öffentlichen Nahverkehr in die Güterlogistik einzubinden, ist also nicht grundsätzlich gescheitert – auch wenn das Pilotprojekt noch kein durchschlagender Erfolg war.
Ähnliche Ansätze werden vielerorts erforscht. Im nahegelegenen Lauenburg etwa war im Rahmen des Projekts TaBuLa bis 2021 ein selbstfahrender Lieferroboter namens Laura im Einsatz, der auf seinen Touren auch in einem ebenfalls selbstfahrenden Bus mitfuhr. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Forschenden am KIT zeigte in einer Simulation, ob eine Güterstraßenbahn („LogIKTram“) den Stadtverkehr entlasten könnte. In diesem Projekt wurde der Nahverkehr jedoch für den Nachlauf und nicht zur Belieferung von Endkunden (letzte Meile) genutzt. Die Gütertram soll stattdessen Waren gebündelt zu einem City-Hub transportieren, wo sie dann umgeschlagen und mit kleinen Fahrzeugen von dort ausgeliefert werden.
Autoren
Jan Klein & David O‘Neill