The Future is Solid
Die Entwicklung auf dem Gebiet der Energiespeicherung verläuft rasant. Energieüberschüsse könnten schon in absehbarer Zeit effektiv genutzt werden, ebenso steht die Rolle des Automobils vor dem Umbruch: Als „Prosumenten“ sind Elektrofahrzeuge nun auch in der Lage, Strom zurück in den Kreislauf zu leiten. Außerdem könnte die Reichweitendiskussion schon bald beendet sein – einen nicht unwesentlichen Anteil daran haben die Fortschritte eines chinesischen Start-ups.
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Eines der lautesten und verbreitetsten Argumente gegen die großflächige Elektrifizierung des Mobilitätssektors ist der hohe Stromverbrauch, den ein solches Unterfangen bedeute. Expertinnen und Experten schätzen die Erhöhung des Gesamtbedarfs an Erneuerbaren Energien – nach Elektrifizierung und gleichzeitiger Bestandsreduktion – jedoch lediglich auf zehn Prozent. Das liegt unter anderem darin begründet, dass die Aussichten gut sind, in den kommenden Jahren zunehmend Speicheroptionen für elektrische Energie zu erschließen – bisher ist dies noch einer der neuralgischen Punkte der Elektromobilität.
Die Technische Universität Dresden beispielsweise forscht – finanziert vom Bundeswirtschaftsministerium – an den Mechanismen der dezentralen Energiespeicherung mittels integrierter kinetischer Rotationsmassenspeicher, kurz Demiks. Diese funktionieren mithilfe einer Schwungmasse, die beschleunigt wird und dabei Elektrizität in Bewegungsenergie umwandelt, die – bei Bedarf – als Strom verwendet werden kann. Die höhere Energiedichte, der höhere Wirkungsgrad und die längere Lebensdauer werden als wichtige Vorteile gegenüber herkömmlichen Speichermedien angeführt. Der aktuell größte rotationskinetische Speicher, der eine Leistung von 500 kW erzielt, steht als Prototyp in der Oberlausitz. Das Ziel: die überschüssige Energie von Windkraftanlagen direkt vor Ort speichern. Mit einem tonnenschweren Schwungrad aus Stahl, das mit etwa 3.000 Umdrehungen pro Minute in einem Vakuum rotiert, ist der Prototyp im Landkreis Görlitz weitaus größer als die bereits seit 2015 im Einsatz befindlichen rotationskinetischen Speicher des Aachener Unternehmens Stornetic.
Das Auto als Speicher
Festkörperbatterien nehmen weitaus weniger Platz ein als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien. © NIO
Doch es ist nicht nur die Speicherung frisch erzeugter Energie, die große Potenziale birgt. Auch das Elektroauto selbst, das in der Vergangenheit lediglich als Stromkonsument auftrat und nichts zur Stromerzeugung oder Weitergabe beigetragen hatte, wird in Zukunft eine neue Rolle einnehmen: die des temporären Batteriespeichers. Die als Vehicle-to-Grid (V2G) bezeichnete Lösung soll es Verbraucherinnen und Verbraucher ermöglichen, im stehenden Fahrzeug verfügbare Energie zwischenzuspeichern und zurück ins Stromnetz zu leiten, sobald sie an anderer Stelle gebraucht wird.
Für diese Sektorkopplung ist die Ausstattung des Fahrzeugs mit einer bidirektional – also in zwei Richtungen – ladefähigen Batterie vonnöten, zusätzlich muss das Kabel in der Lage sein, große Strommengen schnell zu transportieren. Auch wenn die Idee an sich nicht neu ist und in einigen Ländern bereits praktiziert wird – in Japan leitet der Mitsubishi i-MiEV mittels Vehicle-to-Home (V2H) sogar Autostrom an Haushaltsgeräte weiter – hapert es in Deutschland noch mit der Umsetzung. Das soll sich allerdings bald ändern, wenn es unter anderem nach dem Münchner Unternehmen The Mobility House geht. Außerdem arbeitet der Fahrzeughersteller Sono Motors – ebenfalls aus der bayerischen Hauptstadt – weiterhin an seinem Modell Sion, das mit einer bidirektional ladefähigen Batterie ausgestattet ist. Noch wartet das Fahrzeug jedoch auf die Marktreife.
Die Prämisse der V2G- bzw. V2H-Ansätze ist der Umstand, dass die meisten Fahrzeuge mehr als 22 Stunden täglich geparkt sind und die Ladezeit deutlich geringer ausfällt als die Standzeit. Die Batterieladedauer kann demnach an die Netzanforderungen angepasst und das Elektroauto zum Lastmanagement eingesetzt werden.
Alleskönner Festkörperbatterie?
Es sind allerdings nicht nur derartige Smart-Grid-Ansätze, die die Rolle des Elektroautos in Zukunft verändern werden; auch die Batterie selbst steht vor dem Umbruch. Eine vielversprechende Zukunftstechnologie ist die Festkörperbatterie, zu der weltweit Studien durchgeführt werden. Sie unterscheidet sich von der herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterie im Wesentlichen dadurch, dass sowohl Elektroden als auch Elektrolyte in der Batterie nicht flüssig sind, sondern sich in festem Zustand befinden. Festelektrolyte können beispielsweise aus Kunststoffpolymeren oder Glas bestehen und haben – genau wie flüssige Elektrolyte – die Aufgabe, Ionen zwischen Kathode und Anode zu leiten. Die festen Elektrolytstrukturen bringen mehrere Vorteile mit sich: Auf der einen Seite sind sie durch den geringeren Bedarf an Kühlungs- und Sicherheitseinrichtungen leichter und platzsparender, auf der anderen Seite kann auf gleichem Raum ein Vielfaches mehr an elektrischer Energie gespeichert werden, da die Energiedichte höher ist. Dadurch lassen sie ein filigranes Design mit niedrigem Gewicht zu und nehmen, um ein verkehrsübliches Energievolumen bereitzustellen, weniger Platz ein. Gleichzeitig soll die gerade bei Elektroautos in der Vergangenheit häufig medial thematisierte Brandgefahr wegfallen, da sich die festen Materialien schwerer entflammen lassen. Festkörperbatterien gelten also als zuverlässiger und sicherer als Lithium-Ionen-Batterien mit flüssigen Elektrolyten.
NIO – Akkus im Wechsel
Der Batterietausch in der von NIO entwickelten Anlage nimmt mit etwa fünf Minuten nicht mehr Zeit in Anspruch als ein Tankvorgang mit flüssigem Kraftstoff. © NIO
Neben einigen europäischen und ostasiatischen Branchenvertretern, unter anderem Volkswagen in Kooperation mit Quantum-Scape, ist auf Seiten der Feststoff-Pioniere vor allem das chinesische Start-up NIO zu nennen, das bereits fünf Serienfahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb produziert.
Mit dem ET7, der im vergangenen Januar für das Jahr 2022 angekündigt wurde, befindet sich nun nach einem Sportwagen und drei Crossover-Modellen eine Oberklasse-Limousine (480 kW/653 PS) im Unternehmensportfolio – erstmals mit Festkörperbatterie. Die Reichweite des ET7 wird laut NEFZ-Zyklus auf 1.000 Kilometer geschätzt. Zusätzlich soll das Modell die dritte Stufe des autonomen Fahrens erreichen. Neben der neuen Technologie klingt auch die Ladelösung des NIO ET7 vielversprechend: Um den „Boxenstopp“ der Schnelligkeit des Tankens von Benzinern anzunähern, hat NIO ein Akku-Wechselsystem installiert. Anstelle des Ladens an der Ladesäule dient eine waschstraßenartige, automatisierte Wechselstation dazu, den leeren Akku gegen einen vollen einzutauschen und die Fahrt fortzusetzen. Die leere Batterie wird vor Ort aufgeladen und kann, sobald sie den Höchststand erreicht hat, vom nächsten Passierenden aufgenommen werden. Der gesamte Vorgang nimmt nur wenige Minuten in Anspruch.
Obwohl NIO mit dem ET7 einen spannenden Vorstoß wagt, ist nicht davon auszugehen, dass die Festkörperbatterie bereits in Kürze die Elektrobranche revolutionieren wird. Es gibt noch zu viele Unsicherheiten und Unwägbarkeiten, um einen schnellen Markteintritt zu vollziehen. Dennoch hat die Technologie das Potenzial, auf lange Sicht eine wichtige Rolle im Mobilitätssektor einzunehmen; VW-Partner QuantumScape beispielsweise geht vom Start der Serienfertigung um das Jahr 2024 aus. Die Erfahrungswerte, die der NIO ET7 im Betrieb generieren wird, werden für die weitere Entwicklung von großer Relevanz sein. Auch die Entwicklungen in puncto Stromspeicherung, ob es sich nun um überschüssige Windenergie oder die Überproduktion des in der Garage parkenden Elektroautos handelt, werden eine ernstzunehmende Rolle in der Beantwortung der Frage nach der Bereitstellung der benötigten Energie spielen.
Im Zusammenspiel mit modernen Speichertechnologien ist eine nachhaltige Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen unerlässlich. © Petamal – iStockphoto.com
Autor
David O´Neill