Köln: 11.–12.06.2025 #polismobility

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Ein Gespräch über nachhaltige und urbane Lebensqualität

Urban Design Architekt Po-Chun Hsieh über Berlins neue Verkehrsvision

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Die Initiative #KIEZBLOCKS setzt sich für eine verkehrsberuhigte und nachhaltige Stadtplanung in Berlin ein. Durch die Zusammenarbeit von Bürgern, Politik und Planern sollen die Kieze wieder lebenswert werden.

In einem exklusiven Interview sprechen wir mit Architekt Po-Chun Hsieh, dem kreativen Kopf hinter der Umgestaltung der Bergmannstraße und Projektleiter bei GEWERS PUDEWILL. Erfahren Sie, wie Verkehrsberuhigung und Bürgerbeteiligung eine neue urbane Lebensqualität schaffen sollen. Po-Chun Hsieh teilt seine Erfahrungen, Herausforderungen und Visionen für Berlins Zukunft und zeigt, wie die Hauptstadt nachhaltiger und lebenswerter gestaltet werden kann.

Mehr Informationen zu den Berliner KIEZBLOCKS? - Hier geht es zu unserem Artikel

Musteransicht eines Kiezblocks

© Po-Chun Hsieh

Herr Hsieh, was hat Sie dazu motiviert, die Bergmannstraße als ökologische Fußgängerzone neu zu konzeptionieren?

Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat das Projekt Bergmannstraße ins Leben gerufen, um das Konzept des “Kiezblocks" zu stärken. Das Konzept zielt darauf ab, den Durchgangsverkehr in einzelnen Vierteln zu reduzieren und den Straßenraum als Grün- und Aufenthaltsflächen für die Bewohner zugänglich zu machen. Interessanterweise gibt es in Berlin nur sehr wenige Fußgängerzonen, obwohl die Menschen Aktivitäten im Freien sehr schätzen. Die vorhandenen Plätze, wie zum Beispiel der Alexanderplatz, sind komplett gepflastert und bieten den Besucher:innen kaum einen Mehrwert, der zum Verweilen und Genießen einlädt.

Die Bergmannstraße ist das Herzstück des Bergmannkiezes in Kreuzberg. Sie bietet den Bewohnern:innen des Kiezes eine Vielzahl von Lebensmittelgeschäften, Drogerien und die beliebte Marheineke Markthalle. Gleichzeitig zieht sie mit ihren zahlreichen spezialisierten Geschäften und einer breiten Auswahl an Restaurants viele Besucher:innen an. Aus diesem Grund möchten wir das Konzept einer Fußgängerzone weiterentwickeln und den Nutzer:innen ein neues, parkähnliches Erlebnis bieten. Unser Ziel ist es, eine Straße zu schaffen, in der es beim Einkaufen und Essen nicht nur um Effizienz geht, sondern auch um Entspannung und das Gefühl, Teil der Natur inmitten der Stadt zu sein. Die Bergmannstraße soll eine fußgängerfreundliche Straße sein, die sowohl den Bedürfnissen der Nachbarschaft gerecht wird als auch den Charme für Besucher:innen verstärkt.

Erzählen Sie uns bitte mehr über die zentralen Elemente und Merkmale Ihres Entwurfs für die Bergmannstraße. Was macht sie zu einem attraktiven und nachhaltigen öffentlichen Raum?

Der Entwurf basiert auf Ideen, die zuvor in mehreren Bürgerwerkstätten entwickelt und vom Straßen- und Grünflächenamt weiterentwickelt wurden. Dabei stehen drei Hauptelemente im Mittelpunkt: grüne, entsiegelte Bereiche, die sich mit sanften Erhebungen durch die Straße schlängeln und das Hauptmerkmal der Gestaltung darstellen. Die Straßenoberfläche wird durchlässig gestaltet und erweitert die Begrünung bis zum Gehweg. Dieses grüne Band umrahmt einerseits die Fußgängerzone und bildet eine sanfte Barriere zum angrenzenden Radweg. Andererseits dient es der Ableitung von Regenwasser und bietet Insekten ein Zuhause.

Das grüne Band wird von Wasserkanälen begleitet. Das ist das zweite Element. Die Kanäle nutzen das natürliche Gefälle der verschiedenen Abschnitte, wodurch es in der Schenkendorfstraße einen schnelleren Wasserfluss und in der Bergmannstraße einen langsameren gibt. Dadurch entsteht eine Art Wasserspielplatz und die Fontänen am Anfang sowie die Pools am Ende können als Treffpunkte dienen. Dies trägt auch zur klimaresilienten Gestaltung der Stadt bei, da die Verdunstungskühle in den öffentlichen Räumen in der aufgeheizten Stadt immer wichtiger wird.

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Ein weiteres Schlüsselelement sind die Fahrradspuren. Um einen lebendigen Kiez ohne Autoverkehr zu schaffen, ist das Fahrrad das wesentliche Verkehrsmittel. Durch den seitlichen Versatz der Fahrradspuren kann einerseits eine sichere Fahrradstraße und andererseits eine große Fläche für Grün und Außengastronomie geschaffen werden. Die Fahrradspuren sind auch an das Fahrradstraßennetz des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg angeschlossen.

Welche Herausforderungen haben Sie bei der Entwicklung Ihres Konzepts für die Bergmannstraße identifiziert, insbesondere in Bezug auf die Integration von Fußgänger:innen, Radfahrer:innen und anderen Verkehrsteilnehmer:innen?

Die größte Herausforderung bestand darin, genügend Platz für den Lieferverkehr zu schaffen, ohne die Breite der Gehwege zu verändern. Auch wenn der Fahrzeugverkehr zukünftig auf die Morgen- und Abendstunden beschränkt wird, ist dafür eine stabile, überwiegend gepflasterte Fläche erforderlich. Das schränkt aber die Breite der entsiegelten Bereiche ein.

Wie haben Sie die Bedürfnisse und Anliegen der lokalen Gemeinschaft und anderer Interessengruppen in Ihr Konzept einbezogen – insbesondere in Bezug auf die Schaffung von Grünflächen, sicheren Spielbereichen für Kinder und sozialen Treffpunkten?

Das ist die entscheidende Frage. Die Planung der Bergmannstraße funktioniert eigentlich wie ein Netzplan. Wie eingangs erwähnt, geht es bei dem Projekt nicht nur darum, eine einzige aktive Straße zu schaffen. Es ist ein Tor zum Kiez und gleichzeitig sein – künftig grüneres – Zentrum.

Die Bergmannstraße ist die erste, durch Geschäfte und Fahrräder stark frequentierte Ebene: Hier treffen sich Menschen, umgeben von Grün, zum Essen und Einkaufen. Die Seitenstraßen wie die Schenkendorfstraße und die Solmsstraße bilden die zweite Ebene des Verkehrs. Hier fahren Fahrräder weniger häufig und langsamer. Kinder können in diesen Bereichen unbeschwert spielen, ohne beaufsichtigt werden zu müssen. Die dritte Ebene ergibt sich aus den Straßen, die in die eigentlichen Parks und die vorhandenen Spielplätze übergehen, wie der Marheinekeplatz und der Chamissoplatz.

Wie würde sich eine ökologische Fußgängerzone in der Bergmannstraße auf die Kiezbewohner:innen, die Immobilienwirtschaft und die Umwelt auswirken? Welche Vorteile und langfristigen Folgen sehen Sie perspektivisch?

Dafür muss man verstehen, dass das Projekt Bergmannstraße Teil eines Konzeptes für ein vom Durchgangsverkehr entlastetes Viertel ist. Zusammen mit einer ökologischen Fußgängerzone vergrößert diese neue Planung die Grünfläche und schafft einen ununterbrochenen begrünten Aufenthaltsraum im Zentrum des Kiezes. Die Straßen werden von einer autozentrierten Gestaltung in ein fußgängerfreundliches, sicheres und angenehmes Wohnumfeld umgewandelt. Da das extreme Klima zur Normalität wird, ist ein grüneres und wasserdurchlässiges Straßenbild für die Städte unerlässlich.

Wo stößt ihr Konzept in der Realität an seine Grenzen?

Das Projekt der Bergmannstraße befindet sich noch in einer Zwischenphase. Das Bezirksamt hat bereits mit der Umsetzung des Verkehrslenkungskonzepts begonnen, indem es den Durchgangsverkehr mit temporären Schildern und Pflanzkübeln begrenzt. Ohne eine integrierte Umgestaltung wird das neue System jedoch immer noch ignoriert. Für eine dauerhafte Umwandlung wird viel Geld benötigt, das derzeit aber nicht komplett zur Verfügung steht. Die tatsächliche Umgestaltung der Bergmannstraße könnte noch Jahre auf sich warten lassen. Darum ist es wichtig, zumindest Teile des Konzeptes – auch mit provisorischen Mitteln – umzusetzen.

Wie haben die Bürger:innen auf Ihr Konzept im Rahmen der Bürgerbeteiligung reagiert? Gab es Lob oder Kritik?

Vertreter:innen des lokalen Gewerbes befürchten, dass eine autofreie Straße weniger Kundschaft anziehen könnte. Doch diese Sorge ist unbegründet, wie Erfahrungen aus anderen Verkehrsberuhigungskonzepten zeigen. Außerdem kommen die meisten Besucher:innen der Bergmannstraße ohnehin nicht mit dem Auto. Cafés und Geschäfte, die einen Blick auf eine offene Grünfläche und einen Spielplatz bieten, haben einen besonderen Charme und sprechen langfristig sicherlich mehr potentielle Besucher:innen an. Es ist wichtig, diese Argumente zu kommunizieren und die Bedenken der Menschen sachlich zu entkräften. Hier ist also noch Überzeugungsarbeit zu leisten.

Vielen Dank für die spannenden Einblicke in das Projekt!

Im Gespräch waren Janina Zogass (polisMOBILTIY) und Po-Chun Hsieh, Projektleiter GEWERS PUDEWILL. Mehr Informationen zum Thema Berliner KIEZBLOCKS finden Sie in unserem Artikel

Über den Architekten Po-Chun Hsieh


Po-Chun Hsieh lebt in Berlin und arbeitet dort als Architekt. Er wurde in Taipeh, Taiwan, geboren; nach seinem Abschluss an der Harvard University hat er in den letzten 17 Jahren in New York und Taipeh gearbeitet und sich schließlich in Berlin niedergelassen.Von Wolkenkratzern bis hin zu kleinen Sozialwohnungen: die Erfahrungen, die er auf den drei kulturell unterschiedlichen Kontinenten gesammelt hat, boten ihm die Gelegenheit, die Kreativität der Architektur in ganz unterschiedlichen Maßstäben zu erkunden. Sein Motto: Architektur macht Spaß, wenn sie den Nutzer:innen helfen kann, einen Traum umzusetzen.

Autoren

Janina Zogass (polisMOBILITY) & Po-Chun Hsieh (Architekt, GEWERS PUDEWILL)

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