WARUM WIR MOBILITÄT ENDLICH DIGITAL UND GANZHEITLICH DENKEN MÜSSEN
Auf den Kopf gestellt
Schauen wir doch einmal genauer hin und stellen uns vor, dass die Innenstädte 2030 weitgehend für den Durchgangsverkehr gesperrt sind. Nach dem Modell der 15-Minuten-Stadt werden wir mit geteilten Verkehrsmitteln schneller, entspannter und ressourcenschonender ans Ziel kommen. Alle Stationen des Alltags sind fußläufig oder mit dem Fahrrad zu erreichen. Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten, Bildungsstätten, Gesundheits- und Freizeiteinrichtungen sind gleichmäßig über die Stadt verteilt. Wir befahren gut ausgebaute Fahrrad- und ÖPNV-Netze, und das autonome Fahren ist nicht mehr wegzudenken.
All das wird unsere täglichen Routinen gewaltig auf den Kopf stellen. Wir werden nicht mehr einmal pro Woche mit unserem SUV zum Großeinkauf fahren, sondern vielleicht den Tagesbedarf mit dem Fahrrad besorgen oder online bestellen. Aldi & Co. brauchen dann weniger Parkplätze, stattdessen aber einen gut ausgebauten Liefer- und Shuttleservice, damit man vor Ort entscheiden kann, ob man die Einkäufe selbst nach Hause bringt oder lieber bringen lässt.
Unsere Kinder fahren wir nicht mehr selbst zur Schule, sondern vertrauen sie einem selbstfahrenden Fahrzeug an. Im online gebuchten Restaurantbesuch sind Hin- und Rückfahrt inkludiert: Ein Fahrzeug holt mich (und meine Freunde) ab, wir genießen schon während der Fahrt einen Apéritif und bestellen online das Essen. Unsere Kinder werden Stau im Pendelverkehr nicht mehr kennen. Sie arbeiten zeitlich flexibel und ortsunabhängig im Homeoffice oder im Coworking-Space um die Ecke. Oder sie lassen sich im Robocap zum Arbeitsplatz bringen. Das zwingt die Bau- und Wohnungswirtschaft schon heute zu einem Umdenken, ganze Quartiere werden ohne Parkhäuser gebaut.
Mobilität verbindet
© Adobe Stock/lizenziert durch Deutsche Telekom
Für die Mobilität der Zukunft heißt das mehr noch als heute, dass sie kein Selbstzweck ist. Jede Fahrt hat ihren Purpose: Wir wollen einkaufen, zur Arbeit fahren, ärztliche Versorgung erhalten, unsere Kinder zur Kita bringen oder ins Fitnessstudio gehen. Mobilität wird zur Brücke, zum Connector meiner vielfältigen Lebensbereiche. Sie wird zum „Third Place“ neben der Wohn- und der Arbeitsstätte. Fahrten von A nach B sind nicht weiter verlorene Zeit, sondern ich kann im Fahrzeug arbeiten, mein Essen bestellen oder meine Einkäufe im Supermarkt vorkonfigurieren. Mobilität wird zur Commodity: ein immer und überall verfügbarer Gratis-Service als Bestandteil neuer branchenübergreifender Geschäftsmodelle und Angebote.
Zu schön, um wahr zu sein?
Hand aufs Herz: Die klassischen Verkehrsanbieter werden diese Transformation nicht aus eigener Kraft stemmen. Wir brauchen neue Player am Markt, die nicht nur Verkehrsverbünde, sondern auch die Alltagsstationen der Menschen miteinander verbinden. Die Vision der Deutschen Telekom ist es, die digitale Welt von morgen zu gestalten. Wir bringen Menschen zusammen und machen ihnen das Leben leichter. Dazu gehört auch ein nahtloses und nachhaltiges Mobilitätserlebnis. In Kürze werden wir deshalb mit einer digitalen Plattform an den Markt gehen, die Verkehrsträger aller Art miteinander vernetzt. Über eine App greifen die Nutzer:innen auf eine Vielzahl von Anbietern einer Region zu. Durch die Partnerschaft mit den Stadtwerken Bonn wird zunächst der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) und damit der Großraum Köln/Bonn erschlossen, weitere werden folgen. Aber das ist nur der Anfang. Der nächste Schritt sind Bundle-Produkte von Mobilitäts- und Nicht-Mobilitätsleistungen, welche wir als Subskriptionen anbieten werden.
Lasst uns reden!
Unser Alltag wird sich verändern. Disruption liegt in der Luft, ganze Branchen und Businesses werden verschwinden, andere neu entstehen. Die hier beschriebenen Szenarien sind in greifbarer Nähe und versprechen einen verantwortungsbewussteren Umgang mit unseren Ressourcen. Voraussetzung ist jedoch, dass wir alle unsere Komfortzonen verlassen und mutig neue Wege und Ökosysteme denken sowie Kooperationen und Public-Private-Partnerships eingehen. Nur so kann Mobilität ökologisch, sozial und für alle finanzierbar werden. Wir sind bereit, diese Brücken zu bauen. Auch über die Magenta-Welt hinaus.
DR. OLGA NEVSKA
Dr. Olga Nevska © Deutsche Telekom
ist Geschäftsführerin der Telekom MobilitySolutions und Mitglied des Board of Directors bei T-Mobile Czech Republic. Die aus der Ukraine stammende Wirtschafts- und Rechtswissenschaftlerin promovierte an der Freien Universität Berlin und kam 2009 zur Deutschen Telekom. Sie steht für Digitalisierung als Enabler für vernetzte, nachhaltige und bedarfsgerechte Mobilität und verantwortet die Transformation einer der größten deutschen Unternehmensflotten zu einem innovativen Mobilitätsprovider. Olga Nevska ist Gastdozentin und Beirätin am Institute for Mobility der Universität St. Gallen und wurde vom Handelsblatt zu einer der 100 Frauen ernannt, die Deutschland voranbringen.
Autorin
Olga Nevska